EDGAR DEGAS • 1834-1917

Degas wurde am 19. Juli 1834 als Sohn eines Bankdirektors in Paris geboren, nahm zunächst das Jurastudium an der Sorbonne auf, kehrte diesem aber bald schon den Rücken und ging auf die École des Beaux-Arts über. Unter der Anleitung von Lamothe geriet er in die strenge Zucht der klassizistischen Malerei von Ingres, deren „Wirkung man in seinen ersten Akademiearbeiten ebenso spürt wie in der großen Bedeutung, welche die Zeichnung in seinem ganzen Werk behielt. Nacheiner Italienreise 1860 wieder in Paris, entstanden antikisierende Historienbilder, doch drängte es den Künstler nun immer mehr, die Fesselung der Ingresschulung zu sprengen und zu einer mehr lockeren Malweise, lebendigeren Menschenschilderungen und insbesondere dazu überzugehen, den Menschen in seiner alltäglichen Umwelt und in seinem gewohnten Tun darzustellen. Nach dem Siebziger Krieg, den Degas als Kanonier mitmachte, und nach einer Reise nach New Orleans, der Heimatstadt seiner Mutter, traten mehr und mehr Motive in den Vordergrund, denen der wesentliche, weil ganz eigene Teil seines Œuvre galt: zunächst die Rennpferde, an denen ihn mehr nochmals die volle Aktion des Galopps das Verhalten kurz vor dem Start, beim Abreiten und Abwägen oder nach der Zielankunft interessierte, genau wie ihm bei den Ballettänzerinnen, seinem zweiten und später fast alleinigen Hauptmotiv, nicht vor allem das Ballett wichtig war, sondern die Übungsstunden, die Vorbereitung auf den Auftritt oder das Atemschöpfen nach dem Auftritt. Aber daneben steigt er auch in die kleine Welt der Modistinnen, Wäscherinnen und Büglerinnen hinunter, nicht etwa um des Milieus willen, sondern um die ganz spezifische Verhaltensweise dieser einfachen Menschen in der Intimität ihrer Umwelt zu studieren und zu zeigen. Nach etwa 1880 wandte sich Degas immer mehr dem Pastell zu, vor allem, weil der trockene Pastellstift ihm ein rascheres Arbeiten erlaubte, das er bei seinem Verlangen, auch die Bewegung einzufangen, nützlich empfand. Ganz abgesehen davon, daß die Pastellfarbe der ihr eigenartigen Wirkung wegen seinem schließlich fast alleinigen Anliegen sehr entgegenkam, die Welt der Ballettmädchen und der badenden Frauen, also, wenn man so will, des Weiblichen in seinen reizvollsten Spielarten, im Bilde darzustellen. Dabei aber ging es ihm nicht nur um Zuständlichkeit, sondern auch, wie schon bei seinen Pferdebildern, um die Zufälligkeit des Augenblicks, ein Anliegen, das zur gleichen Zeit die Impressionisten bewegte. Doch war sein Thema nicht wie bei diesen das Licht. Er malte, ähnlich wie Manet, fast ausschließlich im Atelier und selten vor einem Motiv. Vielmehr richtete er sein ganzes Augenmerk auf die Beweglichkeit des Körpers, der ihm dergestalt wichtig blieb und nicht, wie den Impressionisten, unwesentlicher Färb- und Lichtträger wurde. Daher erklärt sich auch, daß er seine so momentan und flüchtig erscheinenden Schilderungen nie allein mit der Farbe, sondern immer unter Zuziehung der Zeichnung gab. Degas, der nach der Jahrhundertwende zunehmend erblindete und schließlich selbst den Versuch, in der Plastik weiterhin künstlerisch arbeiten zu können, vor dem Weltkrieg aufgeben mußte, starb am27. September 1917 in Paris.

Aus dem Buch:

Moderne Malerei: Von Renoir bis Buffet von Bodo Cichy, Juckerverlag: 1970, Seite 56

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