GEORGES SEURAT • 1859-1891

Der neben Cézanne vergleichsweise geringe Widerhall, den die Malerei von Georges Seurat bei den Malern um die Wende zum 20. Jahrhundert fand, hat seinen Grund großenteils darin, daß dieser am2. Dezember 1859 in Paris geborene Künstler schon 31 jährig starb (29. März 1891) und seine revolutionären Absichten nicht über einen freilich großartigen Beginn hinausführen konnte. Sein mit Cézanne gleichgerichtetes Anliegen, aus der Illusionsmalerei des Impressionismus eine dauerhafte, bleibende und abseits des flüchtig vergehenden Augenblicks existierende Kunst zu machen, mag ihm vor allem aus der Begegnung mit dem Werk Ingres‘ zugefallen sein. Mit diesem kam er in engste Berührung, als er, zwanzigjährig, an der École des Beaux-Arts durch den Ingresepigonen Leon Lehmann unterrichtet wurde. Klarsichtig, erkannte er jedoch, daß die Zukunft der Malerei nicht in der Rückwendung zum Klassizismus liegen konnte, sondern nur in der konsequenten Fortführung des Impressionismus, und zwar in Richtung auf das autonome Bild. Von hier aus wurde es ihm zur zentralen Aufgabe, das Bild zu verselbständigen, es zu einer eigenständigen Welt zu machen, die aus ihrer eigenen Farbe, ihrem eigenen Licht lebt und auch ihren Raum ohne die Beihilfe atmosphärischer Illusionen aus sich selber zieht. In einem vor allem auf die Jahre um 1884 sich konzentrierenden Ringen gewann Seurat die Mittel, das angestrebte Bild zu erreichen. Gestützt auf farbtheoretische Schriften, wie die Theorie der Farben von N. O. Rood oder die Abhandlung Vom Gesetz des gleichzeitigen Kontrastes der Farben und der Anordnung farbiger Gegenstände von Chevreul, führte er die Farbe auf ihre elementaren Teile, auf die reinen Pigmente des Spektrums zurück, setzte diese in punktierender Manier (Pointillismus) nebeneinander und ließ das Ereignis der Farbvermählung nicht schon auf der Bildfläche, sondern erst im Auge geschehen. Damit hängte er das Erlebnis von Licht und Raum gleichsam an der Farbe auf, und in seiner Überzeugung, daß Kunst Harmonie sei, suchte er gleichzeitig nach einem Bildaufbau, der dazu taugte, die in Farbe, Formen und Linien angelegten Gegensätze auszusöhnen. Einen Bildaufbau auch, der die Bildwelt, die sich ja noch an den aus der sichtbaren Umwelt abgezogenen Erfahrungen orientierte, in eine möglichst enge räumliche Beziehung zur Bildfläche führen sollte. Deshalb hat er mit Vorliebe die Farbzonen in ein kaum merkliches, aber sehr wirksames geometrisches Gerüst von Waagerechten mit Vertikalen eingesponnen. Und da es ihm um Dauer ging, vereinfachte er auch die Gegenstände zu einer oft statuarisch, lebloswirkenden Schlichtheit der Form.

Aus dem Buch:

Moderne Malerei: Von Renoir bis Buffet von Bodo Cichy, Juckerverlag: 1970, Seite 62

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