GINO SEVERINI • 1883-1966

Am 7. April in Cortona (Toskana) geboren, kam Gino Severini 1901 nach Rom, um hier zu studieren. Seit 1906 lebte und arbeitete er im engen freundschaftlichen Verkehr und Gedankenaustausch mit Künstlern (Modigliani, Utrillo, Dufy, Braque u. a.) und nach seiner Heirat mit der Tochter des führenden französischen Dichters Paul Fort (1913) auch mit den geistigen Kreisen in dieser Stadt, die er 1937 verließ, um nach dem Krieg zurückzukehren. Die Begegnung mit dem Kubismus und das Ungenügen, das er vor dessen statischer Architektonik und zurück haltender Farbigkeit empfand, ließ ihn mit einigen gleichgesinnten Landsleuten (Boccioni, Balla, Russolo) das 1. Manifest futuristischer Maler (1910) unterschreiben und zu einem der ausgeprägtesten und zu dem einzigen in Frankreich wirkenden Vertreter des Futurismus werden. Bis um 1915 hing er dieser Richtung an und malte einige Bilder, die deren Anliegen, die Empfindung der Bewegung durch ihre Zergliederung in einzelne, simultan auf die Bildfläche gesetzte Momente wieder zugeben, in hervorragender Weise entsprachen. Dann trat eine mehr dem Kubismus nahestehende Verfestigung ein, der sich mittlerweile und nicht zuletzt unter dem Einfluß der Kunst Severinis seiner farblichen Abstinenz entledigt und zur Farbe bekehrt hatte. In den Jahren um 1920 bemühte sich der Künstler, angehalten von seinem klaren, mathematisch orientierten Geist, um die Gewinnung einer neuen, klassischen Form nach Maßgabe der Proportionsverhältnisse und um eine Bildwelt, in die das zu klassischer Form gereinigte Gegenständliche wieder eintreten konnte. In dem Buch Du Cubisme au Classicisme (1921) setzte er seine neuen Anliegen auseinander. Seine späteren, in diesem Sinne ausgerichteten Arbeiten, unter denen das Thema Stilleben einen hervorragen den Platz einnahm, haben sich zwar im Sinne eines Alterswerkes und der Altersweisheit geklärt, stehen aber dem Jugendwerk an Sprachkraft zur Seite.

Aus dem Buch:

Moderne Malerei: Von Renoir bis Buffet von Bodo Cichy, Juckerverlag: 1970, Seite 106

Deutsche Nationalbibliothek: http://d-nb.info/457614838