HENRI MATISSE • 1869-1954

Der Nordfranzose Henri Matisse (geboren 31. Dezember 1869) kam, ursprünglich von seinen Eltern zum Studium der Rechte bestimmt, um 1890 zur Malerei, mit deren Grundlagen er an der Académie Julian (1892) und an der École des Beaux-Arts (1893) enger vertraut wurde. Seine frühen Bilder, von denen er 1896 zum ersten mal einige öffentlich vorstellte, hielten sich noch weitgehend an die zurückhaltende Farbigkeit der Museumsmalerei, die Matisse sich beim Kopieren der alten Meister anverwandelt hat. Der Impressionismus rührte ihn nur wenig an, machte aber seine Palette heller, und die Begegnung mit dem Werk Renoirs und Cezannes wie die Zusammenarbeit mit dem lebenslangen Freund Marquet und die Bekanntschaft mit Bonnard, Derain und Vlaminck brachten ihn in den Jahren um die Jahrhundertwende mehr und mehr zur Farbe als dem für seine künftige Malerei vor allem wesentlichen Element. Um 1904 setzte er sich kurzfristig mit dem Pointillismus auseinander, der ihm aber in seiner Systematik widerstand, bald verlassen und eingetauscht wurde gegen eine Malerei der großen, unmodellierten Flächen reiner Farbe (Landschaften von Collioure und Saint-Tropez). 1905 brachte dann die entscheidende Wendung. Die von Matisse, Derain, Vlaminck, Manguin und Rouault gemeinsam beschickte Ausstellung im Herbstsalon dieses Jahres wurde zur eigentlichen Geburtsstunde jener Schule, deren Haupt Matisse werden sollte: des Fauvismus. Das Bild Luxe, Calme et Volupté von Matisse zeigte gleichsam das Programm dieser neuen Richtung auf: der Bildaufbau aus großen reinen Farbflächen, die durch arabeskenhafte Linienzüge und Umreißungen eingefaßt und rhythmisiert werden und durch wohldurchdachte Komposition und Farbabstimmung in ein schönes, harmonierendes Gleichgewicht gebracht sind. Nur um die schöne Wirkung des Gemalten, um das Dekorative in seinem besten Sinne, nicht aber um Ausdruck oder dergleichen ging es. 1908 sagte Matisse: „Was mir vorschwebt, ist Gleichgewicht, Reinheit, Ruhe, ohne beunruhigende und ablenkende Gegenständlichkeit – etwas, worin man sich wie in einem bequemen Sessel ausruhen kann.“ An Landschaften, immer wieder an den Bildern von jungen Mädchen und auch am Stilleben hat sich dieser Wille bewährt, wenn er auch bei Matisse, wie bei all den anderen Fauvisten, bald schon die radikale Übersteigerung des Anfangs verlor, manchmal einer größeren Annäherung an das Reale Raum gab, aber nie auf die Schönheit des harmonisierten Farberlebnisses verzichtete. Seit 1936kehrte der weitgereiste, hoch verehrte Maler zu seinen fauvistischen Anfängen zurück und schuf Werke, die, da er in sie eine lange Erfahrung einbringen konnte, zum Besten gehören, was Matisse und den Fauvismus ausmacht. Am 3. November 1954 im Alter von 85 Jahren starb der Künstler in Cimiez bei Nizza.

Aus dem Buch:

Moderne Malerei: Von Renoir bis Buffet von Bodo Cichy, Juckerverlag: 1970, Seite 80

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